Freitag, 24. September 2010, 19 Uhr
Museum Folkwang, Gartensaal
Video Folkwang – Videos und Filme im Museum Folkwang 2010
Screening IV – Hacking the City
Eintritt frei
Ein Programm zusammengestellt und moderiert von Tasja Langenbach
anlässlich des Projekts Hacking the City. Interventionen in urbanen und kommunikativen Räumen.
Begrüßung: Sabine Maria Schmidt, Kuratorin für zeitgenössische Kunst.
Filmprogramm:
HeeWon Navi Lee, Phone Tapping, 2009, 12:23 Min.
Natalie Bookchin, All that is solid, 2005 – 2007, 10:05 Min.
Mohamed Bourouissa, Temps Mort, 2009, 8 Min.
John Smith, The Girl Chewing Gum, 1976, 12 Min.
Tsui Kuang-Yu, The shortcut to the systematic life: City Spirits, 2005, 7:50 Min.
Improv Everywhere, Grocery Store Musical, 2009, 4:07 Min.
Willi Dorner, Body Trail, 2008, 8 Min.
Stefano Canapa, Promenaux, 2001, 11:19 Min.
Die Reihe wird ermöglicht durch den Kunstring Folkwang.
Filmprogramm
HeeWon Navi Lee, Phone Tapping, 2009, 12:23 Min.
Das Video zeigt einen 360-Grad-Schwenk bei Nacht über eine fernöstliche Großstadt, die Bilder unterlegt von „Mitschnitten“ von sehr persönlichen Telefongesprächen, zwischen denen immer wieder hin und her geschaltet wird. Lauschangriff und Großstadtghetto sind die zentralen Themen dieser Videoarbeit.
Natalie Bookchin, All that is solid, 2005 – 2007, 10:05 Min.
„All that is solid“ ist eine bittersüße Großstadtsymphonie, in deren Zentrum die Webcam als stiller Beobachter steht. Der Film ist eine Collage aus Bildmaterial, das die Künstlerin von Überwachungskameras an verschiedensten Orten der Welt abgezapft hat. Der Hochtechnologie von Überwachungssystemen steht hier die verhältnismäßig schlechte Bildqualität des gesammelten Materials gegenüber. Grauschleier und „Bildschirm-Schnee“ erinnern an die Anfänge von Foto und Film.
Mohamed Bourouissa, Temps Mort, 2009, 8 Min.
Im Projekt „Temps Mort“ (2008-2009) nutzte der Künstler ein Mobiltelefon, das leicht als Überwachungsinstrument missbraucht werden könnte, zur Überwindung von Gefängnismauern. Mit einem inhaftierten Freund, der ein Telefon eingeschmuggelt hatte, tauschte er über ein Jahr lang Bildnachrichten aus. Der Künstler schickte Skizzen, nach deren Vorgabe der Häftling seinen Zellenraum fotografierte. Das Video „Temps Mort“ zeigt den Austausch mit einem anderen Häftling per Handyvideo. Der Eingesperrte wünscht sich Aufnahmen von draußen und bekommt einen Schwenk über die Dächer oder einen Spaziergang durch Paris. Der digitale Briefwechsel mit all seinen technischen Hürden gerät zur Reflexion über Freiheit und Gefangensein und die Möglichkeit von Intimität bei räumlicher Trennung.
John Smith, The Girl Chewing Gum, 1976, 12 Min.
Das Video zeigt eine zwölfminütige Sequenz einer belebten Straße. Dabei scheint eine Stimme aus dem Off, die alltäglichen Vorkommnisse auf dieser Straße zu dirigieren. Schnell wird deutlich, dass sich die Geschehnisse nicht nach der Stimme richten, sondern umgekehrt. Dennoch erscheint die Stimme als mächtige Autorität über das Geschehen. Der Film setzt sich mit der Problematik der medialen Konstruiertheit des Realen auseinander und fragt inwieweit etwa Fernsehnachrichten die Wirklichkeit dekonstruieren.
Tsui Kuang-Yu, The shortcut to the systematic life: City Spirits, 2005, 7:50 Min.
„The shortcut to the systematic life“ dokumentiert verschiedene Aktionen im Stadtraum, welche die unsichtbaren Normen testen und untergraben, die unsere Nutzung öffentlicher Räume regeln und auf absurde Weise deren Nutzung herausfordern.
Improv Everywhere, Grocery Store Musical, 2009, 4:07 Min.
16 Aktivisten inszenieren ein spontanes Musical im „Food Court“ einer Einkaufsmall in Los Angeles. Über Funkmikrofone und Funksender konnten sie ihre Stimmen sowie die Musik in die Lautsprecheranlage der Mall einspeisen.
Willi Dorner, Body Trail, 2008, 8 Min.
Walter Benjamin bemerkte einmal über den Fotografen Eugène Atget, seine Bilder vom menschenleeren Paris der Jahrhundertwende würden aussehen wie Schauplätze eines Verbrechens. „Body Trail“, die 8-minütige Schwarz-Weiß-Dokumentation einer Outdoor-Performance von Willi Dorner und Michael Palm, spielt genau mit diesem Gefühl: der Unheimlichkeit, die sich aus statischen langen Einstellungen auf leere Hauseingänge, heruntergerissene Plakatwände, nächtliche Parkanlagen und desolate Telefonzellen ergibt. Zuerst von Körpern keine Spur. Aber plötzlich ragt ein Bein aus der Telefonzelle, kugeln Menschenknäuel wie Abfallhaufen vor heruntergelassenen Geschäftsfassaden, türmen sich Körper neben Stadtbahnbögen, liegen scheinbar leblose Gestalten bäuchlings vor Garageneinfahrten. Diese imaginierten „Schauplätze“ erweisen sich als Szenenbilder des Choreografen Willi Dorner, der eine Gruppe von TänzerInnen als menschliche Skulpturen in den urbanen Raum inszeniert. Dorners vielschichtige Stadtintervention changiert zwischen surrealem Humor und düsteren Terrorvisionen; ihre dynamische, filmische Klarheit aber verdankt sie dem scharfen Schnitt und dem atmosphärisch genauen Sound von Michael Palm.
Stefano Canapa, Promenaux, 2001, 11:19 Min.
Zu Fuß, in der Metro und im Bus bewegt sich Canapa durch die Stadt, um dort seine besonderen Bilder einzufangen. Er bemächtigt sich zunächst ihrer oberflächlichen Realität, wie sie sich in den Blickwechseln einer anonymen Masse widerspiegelt. Die Zeit erscheint wie angehalten in diesem Bilderwerk, das sich irgendwo im Niemandsland zwischen experimentellem Dokumentarfilm und Tagebuch ohne Datumsangabe bewegt. Eine subtile Studie urbaner Handlungs- und Verhaltensmuster, die in den Augen des Betrachters keine weitere Notwendigkeit haben, als ihre bloße Gegenwart.