2. – 15. August 2010

Boran Burchhardt: “3D § 87″, Intervention in Essen, 2010. Bedruckte Aufkleber für die Rückseite von Halteverbotsschildern in 50 Sprachen.

Boran Burchhardt, "3D § 87", Intervention in Essen und im Ruhrgebiet, 2010, bedruckte Aufkleber für die Rückseite von Halteverbotsschildern in 50 Sprachen (hier: deutsch).

Vorrede:

Früheren Performern war der Unfall alles, mit diesem ging die Erfahrung des Bruchs oder Risses in der Realität einher. Seitdem hat nicht nur die Autoindustrie an den Rändern der Risse und Brüche gearbeitet. Die von der Industrie entwickelten Zeit- und Gedankenpolsterungen für Bruchteile von Sekunden führten dazu, dass die sich explosionsartig vermehrenden Luftsäcke die Risse und Brüche einschlossen und sanft in sich zusammensacken ließen. Damit verlor der Unfall alles, was ihn attraktiv gemacht hatte. Das kam einer Katatrophe gleich, also jenem Wort, das den Unfall global ersetzt hat. Es gibt keine Unfälle mehr.

Also muss man sich heute anderem zuwenden:

Krankheit und Identität – Öffentlicher Raum und Anonymität

Dem Kranken sind heute in besonderem Maße der Riss, der Bruch, die Lücke und der Abgrund als Erlebnis vorbehalten.
Das Abfallen der Gesundheit macht eine Person zu einem Fall: dem Kranken, dessen Krankheit(sfall) Gegenstand von Untersuchungen ist – das Suchen nach der abgefallenen Gesundheit – erfordert umfangreiche Daten, die aus dem Feld der Identitäten gewonnen und extrahiert werden, sodass man sagen kann, Krankheit und Identität sind zwingend ein Paar.
Im öffentlichen Stadt-Raum werden die sich in ihm bewegenden Personen anonym. Kennzeichnend können die in diesem Raum ausgeübten Tätigkeiten werden oder die, die den Personen ihrer Erscheinung gemäß nach projiziert und zugeschrieben werden, gleich ob diese zutreffend sind oder nicht. Diese wahren oder falschen Zuschreibungen bergen die Möglichkeit der Anonymität. Eine mögliche Auflösung dieser Anonymität im öffentlichen Raum obliegt dem Einzelnen.
Anders verhält es sich bei einer Überprüfung im öffentlichen Raum: Die Kontrolle der (Ausweis) – Papiere ist immer ein Übergriff in das Private. Der Mensch wird personalisiert, ein anderer Raum tut sich auf. Eine Kontrolle ist immer eine erzwungene Authentifizierung, die nichts anders besagt, als dass das Spiel des Anonymen unterbrochen ist – für den Festgestellten. Alle anderen dürfen weiter.
So wie die gesunden Daten im Krankheitsfall zu Krankendaten werden, wird die Weite des anonymen öffentlichen Raumes mit fortschreitender Krankheit für manche enger.

Ich möchte bei diesem Projekt eben jene Position der Autoindustrie einnehmen, um wie diese ganz konkret an dem Verhindern von Rissen und Brüchen zu arbeiten, da diese den Einzelne/n ungewöhnlich hart aufprallen lassen können.
Dafür habe ich einen Ort im öffentlichen Raum gesucht, an dem sich öffentlicher Raum und nicht öffentlicher Raum kreuzen. Einen öffentlichen Ort, der jene betrifft, die den öffentlichen Raum offen queren und gleichzeitig an jene gerichtet ist, die diesen Raum nicht ganz so selbstverständlich offen in Anspruch nehmen können.

Boran Burchhardt 2010

Boran Burchhardt, "3D § 87", Intervention in Essen und im Ruhrgebiet, 2010, bedruckte Aufkleber für die Rückseite von Halteverbotsschildern in 50 Sprachen (hier: türkisch).

Der in Hamburg ansässige Künstler Boran Burchhardt setzt seine künstlerischen Interventionen an neuralgischen Schnittstellen zwischen Kunst, Leben und Politik an. Für Hacking the City wird er die gesetzliche Grauzone der medizinischen Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherungen, Aufenthaltsgenehmigungen und Papieren mit einem flächendeckenden Zeichensystem durchziehen. In über 50 Sprachen informiert der Künstler auf der Rückseite von „Halteverbotsschildern“ über das Netzwerk der „Medi-Büros“.

Das Projekt mit dem Titel 3D § 87 beginnt in Essen. Eine Ausweitung auf andere Städte des Ruhrgebiets und Norddeutschlands ist in Vorbereitung. Der Titel spielt auf den Artikel § 87 AufenthG an, der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes zur Meldung von „Menschen ohne Papiere“ verpflichtet. Diesem steht die ärztliche Schweigepflicht als wesentliche Säule im Arzt-Patienten-Vertrauensverhältnis zum Schutz der Privatsphäre des Patienten gegenüber.

Boran Burchhardt, "3D § 87", Intervention in Essen und im Ruhrgebiet, 2010, bedruckte Aufkleber für die Rückseite von Halteverbotsschildern in 50 Sprachen (hier: Tamil).

Wir danken den Übersetzerinnen und Übersetzern des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer für ihre Unterstützung:

Sotiraq Bicolli – Albanisch, Mesfin Ayalew – Amharisch, Fatih Yildiz – Arabisch, Agassi Antonyan – Armenisch, Saida Zaagoug – Berberisch, Mahdi Nikpour – Dari, Dr. Berthold Forssman – Estnisch, Maka Bauer- Georgisch, Halima ‘Yar Kamus und Dr. Constanze H. Schmaling – Hausa, Yeheskel Sahar – Hebräisch, Dr. Elias O. Dunu – Igbo, Brigitte Brügge – Indonesisch, Magnus Kristinsson – Isländisch, Sahhanim und Hüseyin Ali Görgü – Kurdisch, Wa Kasongo Ibanda – Lingala, Jelena Budane – Lettisch, Jennifer Lange – Mazedonisch, Algaa Magic – Mongolisch, Hema Adhikary – Nepalesisch, Christiane Hahn von Dorsche – Norwegisch, Jasminder Nagpal-Metzger – Punjabi, Magdalena Larsen – Sprache der Republik Moldau, Rumänisch, Petra Fiedeldei – Slowenisch, Sam Kinuthia – Swahili, Thillaiambalam Paramsothy – Tamil, Rimma Alperowitsch – Weißrussisch.

Achtung Umzug!

Am 14.09.2010

Ausführungsort: Mittlere Entfernung vom Zentrum

Hintergrund: Einpersonenhaushalt konnte Wohnung nicht erhalten, Vermieter bestand auf Räumung

Lage vor Ort: Sackgasse mit geringem Verkehr, keine örtlichen Beschränkungen

Nötige Eingriffe: Sperrung von max. ½ Breite der Fahrbahn, Verkehr kann vorbei trotz Parkzeile auf gegenüberliegender Straßenseite


Peter Bux "Achtung Umzug!". Inszenierung einer Zwangsräumung: 14.9.2010, Essen. Fotos: Sabine Maria Schmidt.




























Achtung Umzug!

Am 15.09.2010

Ausführungsort: Mörikestraße (mittlere Entfernung vom Zentrum)

Hintergrund: Überforderter Sohn mit erwachsener Mutter wurde geräumt

Lage vor Ort: Einbahnstraße mit Durchgangsverkehr, Parkverbot-Zone, Anwohner mit Parkausweis Museum West frei

Nötige Eingriffe: Sperrung eines Bereiches der linken Parkspur 4m mit Ausnahme Behindertenparkplatz, dessen Befahrbarkeit soll gewährleistet bleiben (ideal wäre persönliches Gespräch mit Inhaber für Freigabe an einem Tag und die Stellfläche für Transporter zu verwenden), Transporter abgestellt auf Gehweg (oder nach Absprache auf Behindertenparkplatz), Sperrung eines Bereiches der gegenüberliegenden rechten Parkspur für den Krankenwagen am Nachmittag, Verkehr kann normal passieren, teilweise Behinderung der Müllcontainer.

Dokumentation der Errichtung einer Umzugsburg von und mit Peter Bux im Rahmen von “Hacking the City”. Mörickestraße, 15.09.2010, Essen. Film und Schnitt: Patrick Presch.



Peter Bux: "Achtung Umzug!". Inszenierung einer Zwangsräumung: Mörickestraße, 15.09.2010, Essen. Fotos: Patrick Presch.

























Achtung Umzug!

Am 16.09.2010

Ausführungsort: Kastanienalle (Innenstadt)

Hintergrund: Wohngemeinschaft zahlte über lange Zeit die Miete nicht, Vermieter war nicht mehr zu Zugeständnissen bereit, Räumung

Lage vor Ort: in beide Richtung befahrbare Straße in Randlage Innenstadt, Feuerwehrzufahrt für diese Häuser und evtl. weitere (Freitreppe im Hintergrund?)

Nötige Eingriffe: Klärung bzgl. Feuerwehrzufahrt nötig, gekennzeichnete Zufahrt ist links vom Baum, wie wäre es mal rechts um den Baum herum? Transporter wird abgestellt auf Gehweg parallel zur Straße, Dreikantschlüssel für Poller nötig, Verkehr kann ungehindert passieren, Sperrung des geraden Zuganges zu Kastanienalle xx für Fußgänger, man muss von rechts kommen.

Dokumentation der Errichtung einer Umzugsburg von und mit Peter Bux im Rahmen von “Hacking the City”. Kastanienallee, 16.09.2010, Essen.



Peter Bux "Achtung Umzug!". Inszenierung einer Zwangsräumung: Kastanienallee, 16.09.2010, Essen. Fotos: Patrick Presch.





















Achtung Umzug!

Am ???

Ausführungsort: An der Bergbrücke (Randbezirk)

Hintergrund: Ältere Dame wurde in Bett bei Räumung aufgefunden, Suizidversuch wegen Wohnungsverlust und Beziehungsproblemen, konnte mit Notarzt gerettet werden.

Lage vor Ort: in beide Richtungen befahrbare Straße mit geringem Verkehrsaufkommen, schräg gegenüber Wirtschaftshof einer Schule mit Einfahrt, keine Feuerwehrzufahrt, Anlage der Bauten muss Zufahrt von einer Seite ermöglichen

Nötige Eingriffe: Sperrung der linken Fahrspur und des Fußweges, Sperrung eines Bereiches der rechten Parkspur um über diesen Bereich den Durchgangsverkehr in beide Richtungen zu ermöglichen, vor der Kurve Forststraße/An der Bergbrücke Warnschild aufstellen

15. – 22. August 2010

Brad Downey, "Perfect Throw I (Gelungener Wurf I)". Essen, Rüttenscheider Platz, 22.08.2010, 7.00 am, Duration 3h. Fotos: Patrick Presch.

Brad Downey, "Perfect Throw II (Gelungener Wurf II)". Essen, Von-Schmoller-Str./Ecke Hohenzollerring, 22.08.2010, 7.15 am, Duration 4h. Fotos: Patrick Presch.

Brad Downey, "Perfect Throw III (Double Lock) / Gelungener Wurf III (Doppelt verschlossen)". Essen, Von-Schmoller-Str./ Ecke Friedrich-List-Str., 22.08.2010, 7.45, Duration 4h. Fotos: Patrick Presch.

Brad Downey, "Perfect Throw III (Double Lock) / Gelungener Wurf III (Doppelt verschlossen)", Detail. Essen, Von-Schmoller-Str./ Ecke Friedrich-List-Str., 22.08.2010, 7.45, Duration 4h. Fotos: Patrick Presch

Brad Downey | Brainstorming. Fotos: Patrick Presch


 

Ausschnitte aus einem Interview mit Brad Downey

In: Patrick Nguyen und Stuart Mackenzie (Hrsg.): Beyond the Streets. The 100 Leading Figures in Urban Art., Berlin 2010, S. 334 – 337.

Beyond the Streets: What led you to become an artist?

Brad Downey: Ever since I was very young, I’ve always made drawings. But I think it was skateboarding that opened my mind: a bench is no longer a bench – it becomes an obstacle for self-expression. Skateboarding taught me how to be creative with my surroundings and question the fundamental function of things. I remember seeing Ricky Oyola roll up the hill, jump and grind vertically up one of the bars that held together a chain-link fence. It was like ballet attacking architecture. These sorts of images paved the way.

BtS: Does your outdoor work have a specific objective? Is a charmed smile enough, or are you also trying to elicit other responses from viewers?

BD: A charmed smile is certainly enough. I’m not sure of the objective. I hope it shows people that the city is theirs. They should see and question the objects they engage with every day. For me it’s become less and less interesting to make or add something new to the city. What I’m working on more is taking existing objects and changing their composition or orientation to give them a different function and purpose. It’s about shifting meaning. But what it really boils down to is that I like being outside and I love cities. They make me think, and working makes me happy.

BtS: How do you go about installing your pieces in the city? Is this done during the daytime and are you ever challenged by people?

BD: I do everything in the day, usually Sunday morning. There’s a kind of magic moment on a Sunday morning when no one is awake. This seems to be the best time to do illegal stuff. I used to install everything disguised as a construction worker, but now I feel I should be more honest with people. I don’t think what I’m doing is wrong, and hiding behind the construction costume began to feel like an admission of guilt. The people I encounter while installing on Sunday mornings are older or party people, and they usually just laugh and say, ´Cool` or something like that.

BtS: Aside from the effort involved, a number of your installation looks as if they were also expensive to build. How were you able to finance them?

BD: With determination and a good support group, projects can actually be done very cheaply. Hustle, hustle, hustle. Everything is possible with time. It’s making the time that can be the hard part.

BtS: Is there a particular intervention that stands out for you, whether in terms of personal satisfaction with the end result or obstacles which needed to be overcome?

BD: The interventions that stand out most for me are the ones where there have been very few obstacles. Usually it’s defeat after technical defeat, and then it finally works. But on those special days where you say ´Hey, I hope this will work` and it happens with no trouble, it feels perfect. In Scotland I once cut a heart out of the tarp on the outside of a building under construction. I managed to make a massive piece of work in about 10 minutes with a pair of scissors. That amazed me. I was arrested and had to pay a fine afterwards but the tarp cut smooth as butter.

BtS: Does it make a difference whether work on the street has been authorised?

BD: It really depends on the project, but I find that working with permission takes a fuck-load longer. When I work outside on my own, I don’t have to wait for any go-aheads or listen to any blah-blahs.

 

Weitere Arbeiten:

Brad Downey's visit to Hamburg: "The Beginning and the End", 2010.

Brad Downey's visit to Hamburg: "The Beginning and the End", 2010.

31. August – 5. September 2010

ROMENNEENA
Aktion, 2010

Im Rahmen des Ausstellungsprojekts „Hacking the City“ reist San Keller über den Zeitraum einer Woche per Autostop kreuz und quer durch das Ruhrgebiet. In einem Beutel trägt er die Buchstaben von 54 Städte- und Ortsnamen des Ruhrgebiets. Die Aktion beginnt im Museum Folkwang in Essen, wo die Kuratorin des Projekts, Sabine Maria Schmidt, die Buchstaben für das erste Stoppschild aus dem Beutel zieht, zu einem Ortsnamen zusammenfügt und auf das Schild klebt. Mit diesem Schild stellt sich San Keller vor dem Museum an die Straße und wartet, bis ihn ein Autofahrer mitnimmt – irgendwohin ins Ruhrgebiet. An der Haltestelle hat der Autofahrer die Buchstaben für das nächste Schild aus dem Beutel zu ziehen und aufzukleben. Er erhält dafür das vorangegangene Stoppschild als Accessoire für sein Fahrzeug. Mit dem neuen Stoppschild stellt sich San Keller erneut an die Straße usw.

 

Reisetagebuch

Klicken Sie auf die Städtenamen!


Start, 31.08.2010, Museum Folkwang




31.08.2010




31.08.2010




01.09.2010




01.09.2010




02.09.2010




02.09.2010




03.09.2010




04.09.2010




04.09.2010




04.09.2010




04.09.2010




 

Vorbereitungen und Start der Aktion “ROMENNEENA” von San Keller, 31.08.2010, Museum Folkwan

16. Juli – 26. September 2010

Knowbotic Research: “Mit ‘ner Pizza verschwinden” – Intervention bei “pizzaboy”| Hacking the City.

Knowbotic Research: "Mit 'ner Pizza verschwinden"- Strategische Intervention mit Unterstützung des Lieferservice "Pizzaboy", Essen 2010. Fotos: Patrick Presch.























































Lieber pizzaboy – Kunde,

diese köstlich-geniessbare Pizza ist Teil eines Kooperationsprojektes zwischen dem Museum Folkwang, Essen und pizzaboy, Essen.

Willst Du abtauchen?
Anonym werden?
Ununterscheidbar?
Verschwinden, ohne Spuren zu hinterlassen?

Wenn ja, dann höre die Audio-Botschaft dieser Pizza!


Love_Orden






















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Trust_Pokal






















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Testkauf_Stern























Workshop für Jugendliche

Knowbotic Research: Workshop für Jugendliche, 11. & 12. September 2010. Fotos: Knowbotic Research, Laura Hindelang.






























 

MACGHILLIE

Lesen Sie diese Karte und rufen Sie die angegebene Telefonnummer an!

MacGhillie in Essen | Hacking the City

MacGhillie in Essen am 18. Juli 2010.

MacGhillie in Essen am 18. Juli 2010.

MacGhillie in Essen am 18. Juli 2010.